Ob Aspirin® Humira® oder Eliquis® – Arzneimittelnamen sind allgegenwärtig, aber selten selbsterklärend. Doch wie entstehen diese Namen? Am Ende des Tages folgt die Namensgebung einem spannenden, hochregulierten und teilweise auch kreativen Prozess.
Jedes Arzneimittel hat mindestens zwei Namen. Den generischen Namen (Wirkstoffname) und den Handelsnamen (auch Markenname).
Generische Namen: Wissenschaft im Dienste der Verständlichkeit
Der generische Name wird international vereinheitlicht – etwa Paracetamol (INN: International Nonproprietary Name) oder Atorvastatin. Diese Namen werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vergeben und basieren oft auf festen Namensstämmen, die pharmakologische Eigenschaften erkennen lassen. So enden viele Beta-Blocker auf ‑olol (wie Metoprolol), während ACE-Hemmer typischerweise mit ‑pril enden (z. B. Lisinopril).
Handelsnamen: Von der ersten Idee zur Marke
Der Handelsname hingegen ist die Kreation des pharmazeutischen Unternehmens – und hier beginnt die eigentliche Kunst zwischen Marketing und Behörde. Ein Handelsname soll vieles gleichzeitig leisten: Er soll einprägsam, international aussprechbar, emotional positiv belegt – und dabei bitte nicht irreführend sein.
Ein Team aus Marktforschung, Pharmakologie, Recht und Marketing tüftelt häufig monatelang an möglichen Namen. Dabei entstehen manchmal Dutzende Vorschläge, die intern bewertet, linguistisch getestet und juristisch geprüft werden. Denn: Der Name darf zum Beispiel in keiner Sprache an etwas Anstößiges erinnern.
Der behördliche Prüfprozess
Außerdem muss der Name bei den Zulassungsbehörden durch zwei Nadelöhre: In Europa etwa durch die EMA, in den USA durch die FDA. Diese prüfen, ob der Name zu ähnlich zu bestehenden Medikamenten ist, was zu Verwechslungen führen könnte – ein Sicherheitsrisiko in der Verordnungspraxis.
Trends und Risiken bei der Namensgebung
Handelsnamen sollen häufig bestimmte Assoziationen hervorrufen. Viagra® beispielsweise weckt mit dem „Vig-“ den Gedanken an Vitalität, und „-agra“ klingt entfernt nach dem berühmten indischen Bauwerk – stark, kraftvoll, männlich konnotiert.
Andere Namen sind technische Wortneuschöpfungen, die auf dem Wirkmechanismus oder Zielprotein basieren: Keytruda® (ein Immuncheckpoint-Inhibitor) klingt futuristisch, ist aber bewusst emotional neutral gehalten.
Übrigens: Der Trend geht zur Kürze. Namen wie Zyrtec® oder Xarelto® sind prägnant, haben meist keine Bedeutung im klassischen Sinne, lassen sich aber leicht merken – ein klarer Vorteil im Marketing und in der Verschreibung.
Fazit: Arzneimittelnamen sind das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus Wissenschaft, Regulierung und Kreativität. Sie müssen sicher, verständlich und marktfähig sein – und dabei oft auf einem globalen Markt funktionieren. Das ist kein leichter Job, aber ein spannender. Und manchmal geht er auch schief – und dann kann das Resultat ein potenzielles Risiko für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten darstellen.
So wurde 2005 in den USA das Alzheimer-Medikament Reminyl® wegen Verwechslungsgefahr mit dem Diabetikum Amaryl® (Glimepirid) in Razadyne umbenannt. Es war zu Medikationsfehlern sogar mit Todesfolge gekommen. In den DACH-Ländern ist Reminyl® unter dem ursprünglichen Namen weiterhin auf dem Markt.
Und manchmal sorgen Namen auch einfach nur für Kopfschütteln, etwa beim Blogger Marty Smith: Are Drug Companies Making Up Bizarre Product Names to Screw With Us?