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Zwischen Hoch­häu­sern und Winter­grau: Leben in biolo­gi­scher Dunkelheit

Wenn die Tage kurz sind, die Sonne kaum durch Stra­ßen­schluchten scheint und Büro­licht unsere einzige Licht­quelle wird, spre­chen Forschende von „Living in Biolo­gical Dark­ness“ – einem Leben in biolo­gi­scher Dunkel­heit. Tatsäch­lich kamen Teil­neh­mende einer Berliner Studie an Winter­tagen auf kaum mehr als 80 Lux für rund 70 Prozent ihrer aktiven Zeit. Gerade einmal 36 Minuten pro Tag lagen die Werte über 500 Lux. Zum Vergleich: Bei strah­lender Sonne im Freien wären 50.000 Lux und mehr normal.

Doch was ist das Beson­dere an den Licht­ver­hält­nissen in der Stadt? Die vielen Gebäude, enge Straßen und der häufige Aufent­halt in Innen­räumen sorgen dafür, dass wir hier noch weniger natür­li­ches Tages­licht abbe­kommen als sonst schon zu dieser Jahres­zeit. Selbst, wenn draußen das Licht einla­dend wirkt, kommen beim Auge oft nur Bruch­teile davon an. Gerade in urbanen Lebens­welten kann sich das leicht poten­zieren. Man verlässt morgens die Wohnung im Dunkeln, fährt mit der U‑Bahn ins Büro, sitzt tags­über weit vom Fenster entfernt (oder gar komplett abge­schirmt), geht even­tuell abends in ähnlich trister Dunkel­heit heim – und das Tag für Tag.

Was bedeutet dies für unseren Körper? Licht ist neben Schlaf und Nahrung einer unserer wich­tigsten Zeit­geber, steuert den Tag-Nacht-Rhythmus, beein­flusst Hormone und damit unsere Stim­mung. Beson­ders deut­lich zeigt sich das in der Studie am REM-Schlaf, einer Schlaf­phase, die stark vom inneren Takt abhängt. Wer mittags extrem wenig Licht erlebt hatte, zeigte nachts eine auffäl­lige Verschie­bung von REM-Phasen: verkürzte REM-Latenz, mehr REM zu Beginn des Schlafes – ein Muster, das einst als mögli­cher „Depres­sions-Biomarker“ galt.

Wir verfallen nun nicht alle in winter­liche Depres­sionen, aber die Resul­tate zeigen wie sensibel unser Gehirn auf geringe Licht­un­ter­schiede reagiert. Antriebs­lo­sig­keit, Müdig­keit und Schlapp­heit sowie das Bedürfnis nach mehr Schlaf sind nur einige der mögli­chen Reaktionen.

Dabei kann ein kurzer Spazier­gang oder zumin­dest der Platz am Fenster auch in einer urbanen Umge­bung helfen, die eigene „Licht­bi­lanz“ zu verbes­sern. Kunst­licht sollte hoch­wertig und möglichst hell sein – Tages­licht­lampen, mit etwa 5.000–6.500 Kelvin dem natür­li­chen Tages­licht ähnlich, können unter­stützen. Wer beson­ders empfind­lich ist oder sich schlapp fühlt, profi­tiert oft davon, morgens der gewöhn­li­chen Dusche noch eine halbe Stunde „Licht­du­sche“ durch eine solche Lampe hinzu­zu­fügen. Dabei sind schon 2.500 Lux hilf­reich, doch profes­sio­nelle Lampen leuchten mit mindes­tens 10.000 Lux.

Nowozin C et al. Living in Biolo­gical Dark­ness II: Impact of Winter Habi­tual Daytime Light on Night-Time Sleep. Eur J Neurosci. 2025;61(2):e16647.

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ejn.16647